Flüchtlinge sind nicht auf Urlaub
Hast Du Dir schon einmal vorgestellt, wie es wäre, schon Morgen Deine Sachen zu packen und aufzubrechen in eine ungewisse Zukunft?
Die Zahl der Flüchtlinge weltweit entspricht fast der Einwohnerzahl unseres Landes. Davon sind die Hälfte Kinder. Die meisten der Flüchtlinge bleiben im eigenen Land und rund zwei Drittel aller Flüchtlinge kommen aus gerade einmal 5 Länder, für die die Weltgemeinschaft keine Antworten findet. Sie kommen aus Syrien, Südsudan, Somalia, Afghanistan und Myanmar.
85% der Flüchtlinge die das eigene Land verlassen müssen, kommen in ein ähnlich oder eher ärmeres Land.
Was mich immens stört ist die mangelnde Auseinandersetzung meiner Mitmenschen mit den Fluchtursachen. So hört man häufig aus warmen Wohnstuben derer, die mutmaßlich vor vier Generationen selbst noch von Flucht betroffen waren, dass es Flüchtlingen eigentlich noch zu gut gehe. “Die haben schließlich sogar Smartphones!“
Durch den entfremdeten Diskurs rund um die Flüchtlingsfrage, den mittlerweile irgendwelche Randgruppen führen oder vor Eitelkeit wankelmütige Machtinhaber bestimmen, entstehen dann wohl so zynische Begriffe wir Asyltourismus.
Tourismus, auch Touristik, Fremdenverkehr, ist ein Überbegriff für Reisen einschließlich Reisebranche, das Gastgewerbe und die Freizeitwirtschaft.
Noch einmal: Stelle Dir vor, mit dem gepackten Koffer geht es nicht in die Sonne, sondern in eine ungewissen Zukunft. Wer sich das nicht vorstellen kann, dem helfen vielleicht folgende Zeilen, die ich im Sommer 2015 verfasst habe, als mich in einem plötzlichen Moment die Flüchtlingssituation erreichte.
Der nachfolgende Text wurde von mir 2015 bereits veröffentlicht.
Bündel Mensch aus 2015
Die Gänsehaut folgt Ihrem Schauer. Tränen steigen auf. Ein Klos im Hals. Meine tägliche Routine führt mich allmorgendlich vom Stuttgarter Hauptbahnhof durch den Schlossgarten zum Neckartor. Nachrichten sind gern weit weg. Dann sind Sie plötzlich da. Nicht die Nachrichten. Nein. Diese eine Flüchtlingsgeschichte, auf die ich nicht gewartet habe.
Mögen wir uns an schlafende Obdachlose gewöhnt haben. Dieses Bild erschüttert mich ungewohnt, mehr als ich es mir hätte vorstellen können. Ein Bündel Mensch in Designersocken. Umringt von Tauben, die selbst hier noch einen Krumen erwarten. Tränen der eigenen Ohnmacht treiben an die Oberfläche. Erschrocken und peinlich berührt über das, was die Welt zulässt, was ich allein nicht ändern kann. Ich schäme mich fremd. Dann treffen sich Blicke und es reicht gerade für ein gestammeltes, kurzes und fast gezwungenes Guten Morgen im Vorbeigehen. Stottern. Gern hätte ich noch gesagt: Herzlich Willkommen.
Aber Dein Termin wartet. Also weiter. Oder doch zurück? Ein Frühstück? Warum nicht? Keine Zeit? Ich bemerke, dass ich meinen Koffer im Zug liegen gelassen habe. Doch zurück. Wegen eines Koffers? Wie scheiße ist das denn? Mensch! Nur ein Koffer. Diese Menschen lassen ein Leben zurück und riskieren das eigene für die Hoffnung auf ein Neues